Jakobsweg
Andacht vom 29.4.2012
Mitgliederversammlung Böblingen
Die Helden aus der Bibel bieten wunderbare Gelegenheiten, um an ihre Geschichten anzuknüpfen. Bestimmten Personen fühle ich mich besonders nahe. Sie spiegeln etwas von mir, und ich erkenne mich in ihnen wieder. Eine meine Lieblingsgestalten ist Jakob. Seine Leben zeigt, wie Gott auf krummen Linien eine Segensgeschichte schreibt. Das ist ungemein herausfordernd und ermutigend. Als jemand, der von ADHS betroffen ist, habe ich – wie viele andere – die Erfahrung gemacht, dass mein Leben nicht in direkter Linie von einem zum anderen Ort führt. Wie bei Jakob. Er ist eine der widersprüchlichsten, widerspenstigsten, sozusagen kurvenreichsten Figuren der Bibel. Deshalb fasziniert er mich.
Die Widerspenstigkeit lag Jakob bereits in der Wiege. Er hatte einen älteren Zwillingsbruder, Esau. Esau würde, weil er der Erstgeborene war, das Erbe zufallen. Er würde das Oberhaupt der Familie werden und den Erstgeburtssegen erhalten.
Jakob jedoch konnte es nicht ertragen, hinter Esau der Zweite zu sein. Dieser Gedanken setzte sich in ihm fest, hatte sich gleichsam in ihn festgeschraubt. Er wollte nicht hinter seinem älteren Bruder zurückstehen. Er wollte den Erstgeburtssegen.
Um sich durchsetzen, ging er bis zum Äußeren. Er entschloss sich, den Segen durch Betrug zu bekommen. Das war kein Kavaliersdelikt. Der Segen war heilig und einmalig. Er konnte nur einmal ausgesprochen werden, so wie ein Erbe nicht zweimal verteilt werden kann.
Aber Jakob blieb unbeirrbar und eigensinnig: Als Isaak, der Vater von Jakob und Esau wusste, dass er bald sterben würde, beschloss er Esau zu segnen. Isaak war krank und blind und das nutzte Jakob aus. Er verstellte sich, tat so, als wäre er Esau und erhielt den Erstgeburtssegen des Vaters.
Bemerkenswerterweise empfand er den Segen, nachdem er ihn erhalten hatte, nicht als Gewinn. Im Gegenteil. Plötzlich stellte sich Ernüchterung ein. Jakob wurde sich der Konsequenzen dessen bewusst, was er getan hatte. Er hatte seinen Vater und seinen Bruder hintergangen und zwar in einer Weise, die sich nicht gut machen ließ durch ein einfaches „Entschuldigung! Ich bin ein bisschen zu weit gegangen.“ Seine Widerspenstigkeit und sein Widerspruchsgeist, von denen er sich so sehr hatte herausfordern lassen, verursachte eine dramatische Lage. Und dies nicht nur für ihn: Seine Familie zerriss. Er musste vor der Rache seine Bruders fliehen. Die Schuld durch den Betrug war eine Last, die er nicht mehr abschütteln konnte. Der Segen, den er so sehr begehrt hatte, war ihm zum Fluch geworden.
Der erste Anknüpfungspunkt – verzerrte Ziele. Man gibt sich auf Biegen und Brechen einem Begehren hin und unterschätzt in seiner Unbeirrbarkeit die Gefahr, dass tatsächlich etwas zu Bruch gehen könnte.
Thomas Alva Edison, einer der berühmten Menschen mit ADHS, zerstritt sich mit einem Konkurrenten derart, dass aus seinem verbissenen Bemühen seinen Gegner in die Knie zu zwingen, eine barbarische Erfindung hervorging. Edison wollte zeigen, dass die Stromart, die sein Konkurrent einsetzte, lebensgefährlich für den Menschen war. Er bewies es, indem er ein Hinrichtungsgerät erfand, das mit diesem Strom betrieben wurde: Der elektrische Stuhl.
Sich einem verzerrten und verzehrendem Ziel hingegeben, das ist Jakob widerfahren und das bestimmte von nun an sein Leben. Es ließ ihn zum beständig Flüchtenden werden. Eine Flucht, die sich zum Teil ihre Ursache in der Rache seines Bruders hatte. Zum Teil aber floh er aber auch, weil er nicht ertrug, was er Esau und seinem Vater angetan hatte. Die große Lektion, die Gott Jakob zumutete, bestand darin, dass Jakob in eine Situation geriet, der er nicht durch Flucht entrinnen konnte. Eines Tages würde er sich dem stellen müssen, was er getan hatte. Doch bis zu diesem Zeitpunkt irrte und wirrte Jakob durchs Leben. Er heiratete zweimal, einmal sozusagen aus Versehen. Sein schlitzohriger Onkel Laban lässt ihn die eigene Medizin schmecken und trickst ihn nach Strich und Faden aus. Der Segen, nach dem ihm so verlangt hatte, wäre Jakob am liebsten wieder losgeworden, weil ihn das Gewissen plagte und er Angst vor Esau hatte.
Der zweite Anknüpfungspunkt: Das Sich-In-Krummen-Linien-Fortbewegen, das Hakenschlagen und In-Unmögliche-Situationen-Geraten ist etwas typisch ADSlerisches. Uns sitzt der Aberwitz im Nacken. Wenn wieder etwas geschah, das alles durcheinander brachte, möchten wir ihn am liebsten lossein: Aus einer Beziehung in die nächste getaumelt, die eigenartigerweise der ersten in vielen Zügen ähnelt. Beim neuen Arbeitsplatz zeichnet sich dasselbe Malheur ab wie beim letzten. Es ist verhext, enttäuschend, ermüdend. Es liegt am komischen ADS-Schicksal. Der Aberwitz reizt und schüttelt einen, lässt sich aber nicht abschütteln. Wie bei Jakob: Er konnte machen, was er wollte: Sich selbst wurde er einfach nicht los, trotz der Haken, Listen und Kniffe die er anwendete.
Und dann kam das Ende. Jakob musste seinem Bruder gegenübertreten. Es gab keine Ausflucht mehr. Jakob war mittlerweile ein wohlhabender Mann geworden, ein Familienoberhaupt mit vielen Kindern. Der Unglückssegen hatte sich erfüllt.
Aber auch Esau war Herr über eine mächtige Sippe geworden. 400 wehrfähige Männer gehörten zu seinem Gefolge und mit diesem kam er Jakob entgegen. Am Fluss Jabbok würden sie einander begegnen. Jakob würde büßen für seinen Betrug. Doch – und das war das Schlimme – nicht nur er, sondern auch seine Familie. In der Nacht vor der Begegnung fand Jakob keine Ruhe. Er verließ das Lager, um ans Ufer des Jabbok zu gehen. Dort traf er auf Gott. Und mit Gott traf er auf all das, dem er Zeit seines Lebens ausgewichen war.
In der Bibel heißt es, Jakob und Gott rangen miteinander und als der Morgen anbrach, ließ Gott sich von Jakob überwältigen. „Segne mich!“, verlangte Jakob von Gott bevor er ihn gehen ließ. „Segne mich und ich lasse dich.“ Dieser ungewöhnliche Siegespreis zeigt, dass es nicht um Gewinner und Verlierer in einem Ringkampf geht. Jakob wusste, dass ihm ein Kampf bevorstand, den er nicht gewinnen konnte. Gegen Esau würde er unterliegen. Ohne den Segen Gottes wollte er nicht ins Unausweichliche gehen. Aber er musste um den Segen kämpfen.
Der dritte Anknüpfungspunkt:: Was groß und segensreich ist, lässt sich nur ergreifen, wenn wir darum ringen. Segen ist nicht das gleiche wie Glück. Glück fällt uns zu, Segen kostet. Die Bibel erzählt, dass Jakob von diesem Kampf eine Verletzung an der Hüfte davontrug. Seit der Nacht am Jabbok hinkte er. Dieses Hinken macht deutlich, wie viel Segen kosten kann.
Dieser Punkt ist mir der wichtigste. Ich bin überzeugt, dass jeder von Ihnen ein Segensträger ist. Ich bin überzeugt, dass jeder von Ihnen eine einmalige, große Begabung in sich trägt. Als Menschen mit ADHS wissen wir, wie schwer es ist, an diese Begabung heranzukommen. Sie liegt tief verborgen unter einem Berg unglücklicher Erfahrungen, eines gestauchten Selbstbewusstseins, eines kurven- und hindernisreichen Lebenswegs. Im Unterschied zu Jakob hinken wir schon vorher und würden am liebsten all das abschütteln, was das ADHS mit sich bringt. Dennoch bin ich überzeugt, dass jeder von Ihnen ein Segensträger ist, nicht trotz, sondern wegen Ihres ADHS. Und so, wie sich der Segen Jakobs erst entfaltete, als er darum rang, so sage ich Ihnen zu, dass es sich lohnt, um Ihren Segen zu ringen. Wenn ich früher sehr zerrissen, sehr erschöpft und entmutigt war, las ich einen wunderbaren Text von Martin Luther King:
„Wenn unsere Tage verdunkelt sind
und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte,
so wollen wir stets daran denken,
dass es in der Welt eine große, segnende Kraft gibt, die Gott heißt.
Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen.
Er will das dunkle Gestern
in ein helles Morgen verwandeln –
Zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit.“
Diese wunderbaren Worte habe ich immer in meiner Brieftasche bei mir. Sie geben mir viel Kraft und im wahrsten Sinn notwendige Zuversicht, mich nicht gänzlich der Erschöpfung und Enttäuschung hinzugeben. Mein Leben vollzog sich deswegen nicht in weniger kurvenreichen Bahnen. Aber der große, segnende Bogen Gottes umschließt mich.
Zum Schluss will ich Ihnen noch kurz erzählen, was aus Jakob wurde, nachdem er nach seinem Kampf am Jabbok in die aufgehende Sonne davonhumpelte.
Am nächsten Tag begegnete er seinem Bruder. Esau lief ihm entgegen, aber nicht um sich an ihm zu rächen, sondern um sich mit ihm zu versöhnen. Esau hatte nie vorgehabt, sich Genugtuung zu verschaffen. Er wollte den Riss zwischen ihm und Jakob schließen. Das zweite, was mit Jakob geschah, war, dass er mit dem Segen auch einen neuen Namen erhielt, einen Segensnamen gewissermaßen. Dieser Name ins Deutsche übersetzt, hat die Bedeutung „Du hast mit Gott gekämpft und mit Menschen“. Auf Hebräisch lautet er „Israel“.
Jakob, der Widerspenstige, Hakenschlagende und Hinkende setzte den Anfang einer großen, einmaligen Geschichte.
Vertrauen auch Sie Ihren Gaben, so verborgen sie auch liegen. Vertrauen Sie Ihrer Geschichte. Sie wird, allem Hinken zum Trotz, umschlossen vom großen Segensbogen Gottes.
Mitgliederversammlung Böblingen
Die Helden aus der Bibel bieten wunderbare Gelegenheiten, um an ihre Geschichten anzuknüpfen. Bestimmten Personen fühle ich mich besonders nahe. Sie spiegeln etwas von mir, und ich erkenne mich in ihnen wieder. Eine meine Lieblingsgestalten ist Jakob. Seine Leben zeigt, wie Gott auf krummen Linien eine Segensgeschichte schreibt. Das ist ungemein herausfordernd und ermutigend. Als jemand, der von ADHS betroffen ist, habe ich – wie viele andere – die Erfahrung gemacht, dass mein Leben nicht in direkter Linie von einem zum anderen Ort führt. Wie bei Jakob. Er ist eine der widersprüchlichsten, widerspenstigsten, sozusagen kurvenreichsten Figuren der Bibel. Deshalb fasziniert er mich.
Die Widerspenstigkeit lag Jakob bereits in der Wiege. Er hatte einen älteren Zwillingsbruder, Esau. Esau würde, weil er der Erstgeborene war, das Erbe zufallen. Er würde das Oberhaupt der Familie werden und den Erstgeburtssegen erhalten.
Jakob jedoch konnte es nicht ertragen, hinter Esau der Zweite zu sein. Dieser Gedanken setzte sich in ihm fest, hatte sich gleichsam in ihn festgeschraubt. Er wollte nicht hinter seinem älteren Bruder zurückstehen. Er wollte den Erstgeburtssegen.
Um sich durchsetzen, ging er bis zum Äußeren. Er entschloss sich, den Segen durch Betrug zu bekommen. Das war kein Kavaliersdelikt. Der Segen war heilig und einmalig. Er konnte nur einmal ausgesprochen werden, so wie ein Erbe nicht zweimal verteilt werden kann.
Aber Jakob blieb unbeirrbar und eigensinnig: Als Isaak, der Vater von Jakob und Esau wusste, dass er bald sterben würde, beschloss er Esau zu segnen. Isaak war krank und blind und das nutzte Jakob aus. Er verstellte sich, tat so, als wäre er Esau und erhielt den Erstgeburtssegen des Vaters.
Bemerkenswerterweise empfand er den Segen, nachdem er ihn erhalten hatte, nicht als Gewinn. Im Gegenteil. Plötzlich stellte sich Ernüchterung ein. Jakob wurde sich der Konsequenzen dessen bewusst, was er getan hatte. Er hatte seinen Vater und seinen Bruder hintergangen und zwar in einer Weise, die sich nicht gut machen ließ durch ein einfaches „Entschuldigung! Ich bin ein bisschen zu weit gegangen.“ Seine Widerspenstigkeit und sein Widerspruchsgeist, von denen er sich so sehr hatte herausfordern lassen, verursachte eine dramatische Lage. Und dies nicht nur für ihn: Seine Familie zerriss. Er musste vor der Rache seine Bruders fliehen. Die Schuld durch den Betrug war eine Last, die er nicht mehr abschütteln konnte. Der Segen, den er so sehr begehrt hatte, war ihm zum Fluch geworden.
Der erste Anknüpfungspunkt – verzerrte Ziele. Man gibt sich auf Biegen und Brechen einem Begehren hin und unterschätzt in seiner Unbeirrbarkeit die Gefahr, dass tatsächlich etwas zu Bruch gehen könnte.
Thomas Alva Edison, einer der berühmten Menschen mit ADHS, zerstritt sich mit einem Konkurrenten derart, dass aus seinem verbissenen Bemühen seinen Gegner in die Knie zu zwingen, eine barbarische Erfindung hervorging. Edison wollte zeigen, dass die Stromart, die sein Konkurrent einsetzte, lebensgefährlich für den Menschen war. Er bewies es, indem er ein Hinrichtungsgerät erfand, das mit diesem Strom betrieben wurde: Der elektrische Stuhl.
Sich einem verzerrten und verzehrendem Ziel hingegeben, das ist Jakob widerfahren und das bestimmte von nun an sein Leben. Es ließ ihn zum beständig Flüchtenden werden. Eine Flucht, die sich zum Teil ihre Ursache in der Rache seines Bruders hatte. Zum Teil aber floh er aber auch, weil er nicht ertrug, was er Esau und seinem Vater angetan hatte. Die große Lektion, die Gott Jakob zumutete, bestand darin, dass Jakob in eine Situation geriet, der er nicht durch Flucht entrinnen konnte. Eines Tages würde er sich dem stellen müssen, was er getan hatte. Doch bis zu diesem Zeitpunkt irrte und wirrte Jakob durchs Leben. Er heiratete zweimal, einmal sozusagen aus Versehen. Sein schlitzohriger Onkel Laban lässt ihn die eigene Medizin schmecken und trickst ihn nach Strich und Faden aus. Der Segen, nach dem ihm so verlangt hatte, wäre Jakob am liebsten wieder losgeworden, weil ihn das Gewissen plagte und er Angst vor Esau hatte.
Der zweite Anknüpfungspunkt: Das Sich-In-Krummen-Linien-Fortbewegen, das Hakenschlagen und In-Unmögliche-Situationen-Geraten ist etwas typisch ADSlerisches. Uns sitzt der Aberwitz im Nacken. Wenn wieder etwas geschah, das alles durcheinander brachte, möchten wir ihn am liebsten lossein: Aus einer Beziehung in die nächste getaumelt, die eigenartigerweise der ersten in vielen Zügen ähnelt. Beim neuen Arbeitsplatz zeichnet sich dasselbe Malheur ab wie beim letzten. Es ist verhext, enttäuschend, ermüdend. Es liegt am komischen ADS-Schicksal. Der Aberwitz reizt und schüttelt einen, lässt sich aber nicht abschütteln. Wie bei Jakob: Er konnte machen, was er wollte: Sich selbst wurde er einfach nicht los, trotz der Haken, Listen und Kniffe die er anwendete.
Und dann kam das Ende. Jakob musste seinem Bruder gegenübertreten. Es gab keine Ausflucht mehr. Jakob war mittlerweile ein wohlhabender Mann geworden, ein Familienoberhaupt mit vielen Kindern. Der Unglückssegen hatte sich erfüllt.
Aber auch Esau war Herr über eine mächtige Sippe geworden. 400 wehrfähige Männer gehörten zu seinem Gefolge und mit diesem kam er Jakob entgegen. Am Fluss Jabbok würden sie einander begegnen. Jakob würde büßen für seinen Betrug. Doch – und das war das Schlimme – nicht nur er, sondern auch seine Familie. In der Nacht vor der Begegnung fand Jakob keine Ruhe. Er verließ das Lager, um ans Ufer des Jabbok zu gehen. Dort traf er auf Gott. Und mit Gott traf er auf all das, dem er Zeit seines Lebens ausgewichen war.
In der Bibel heißt es, Jakob und Gott rangen miteinander und als der Morgen anbrach, ließ Gott sich von Jakob überwältigen. „Segne mich!“, verlangte Jakob von Gott bevor er ihn gehen ließ. „Segne mich und ich lasse dich.“ Dieser ungewöhnliche Siegespreis zeigt, dass es nicht um Gewinner und Verlierer in einem Ringkampf geht. Jakob wusste, dass ihm ein Kampf bevorstand, den er nicht gewinnen konnte. Gegen Esau würde er unterliegen. Ohne den Segen Gottes wollte er nicht ins Unausweichliche gehen. Aber er musste um den Segen kämpfen.
Der dritte Anknüpfungspunkt:: Was groß und segensreich ist, lässt sich nur ergreifen, wenn wir darum ringen. Segen ist nicht das gleiche wie Glück. Glück fällt uns zu, Segen kostet. Die Bibel erzählt, dass Jakob von diesem Kampf eine Verletzung an der Hüfte davontrug. Seit der Nacht am Jabbok hinkte er. Dieses Hinken macht deutlich, wie viel Segen kosten kann.
Dieser Punkt ist mir der wichtigste. Ich bin überzeugt, dass jeder von Ihnen ein Segensträger ist. Ich bin überzeugt, dass jeder von Ihnen eine einmalige, große Begabung in sich trägt. Als Menschen mit ADHS wissen wir, wie schwer es ist, an diese Begabung heranzukommen. Sie liegt tief verborgen unter einem Berg unglücklicher Erfahrungen, eines gestauchten Selbstbewusstseins, eines kurven- und hindernisreichen Lebenswegs. Im Unterschied zu Jakob hinken wir schon vorher und würden am liebsten all das abschütteln, was das ADHS mit sich bringt. Dennoch bin ich überzeugt, dass jeder von Ihnen ein Segensträger ist, nicht trotz, sondern wegen Ihres ADHS. Und so, wie sich der Segen Jakobs erst entfaltete, als er darum rang, so sage ich Ihnen zu, dass es sich lohnt, um Ihren Segen zu ringen. Wenn ich früher sehr zerrissen, sehr erschöpft und entmutigt war, las ich einen wunderbaren Text von Martin Luther King:
„Wenn unsere Tage verdunkelt sind
und unsere Nächte finsterer als tausend Mitternächte,
so wollen wir stets daran denken,
dass es in der Welt eine große, segnende Kraft gibt, die Gott heißt.
Gott kann Wege aus der Ausweglosigkeit weisen.
Er will das dunkle Gestern
in ein helles Morgen verwandeln –
Zuletzt in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit.“
Diese wunderbaren Worte habe ich immer in meiner Brieftasche bei mir. Sie geben mir viel Kraft und im wahrsten Sinn notwendige Zuversicht, mich nicht gänzlich der Erschöpfung und Enttäuschung hinzugeben. Mein Leben vollzog sich deswegen nicht in weniger kurvenreichen Bahnen. Aber der große, segnende Bogen Gottes umschließt mich.
Zum Schluss will ich Ihnen noch kurz erzählen, was aus Jakob wurde, nachdem er nach seinem Kampf am Jabbok in die aufgehende Sonne davonhumpelte.
Am nächsten Tag begegnete er seinem Bruder. Esau lief ihm entgegen, aber nicht um sich an ihm zu rächen, sondern um sich mit ihm zu versöhnen. Esau hatte nie vorgehabt, sich Genugtuung zu verschaffen. Er wollte den Riss zwischen ihm und Jakob schließen. Das zweite, was mit Jakob geschah, war, dass er mit dem Segen auch einen neuen Namen erhielt, einen Segensnamen gewissermaßen. Dieser Name ins Deutsche übersetzt, hat die Bedeutung „Du hast mit Gott gekämpft und mit Menschen“. Auf Hebräisch lautet er „Israel“.
Jakob, der Widerspenstige, Hakenschlagende und Hinkende setzte den Anfang einer großen, einmaligen Geschichte.
Vertrauen auch Sie Ihren Gaben, so verborgen sie auch liegen. Vertrauen Sie Ihrer Geschichte. Sie wird, allem Hinken zum Trotz, umschlossen vom großen Segensbogen Gottes.
Uwe Metz - 4. Sep, 22:26