Petrus hatte ADHS
Andacht am 25.9.2011 im Caritas-Haus, Feldberg anlässlich der gemeinsamen Mitgliederversammlung der Landesverbände Hessen und Baden-Württemberg.
Petrus hatte ADHS. Das ist eine stramme Behauptung.
Ich habe sie von einer Freundin aufgeschnappt, als wir uns im Hauskreis beieinander waren.
Ein Hauskreis ist ein regelmäßiges Treffen von Christen außerhalb eines Gottesdienstes.
Man kann dort über Dinge des Glaubenslebens besser und persönlicher sprechen als in der Kirche.
Wir lesen dort auch gemeinsam in der Bibel.
An einem Abend lasen wir die Geschichte, als Simon Petrus im Sturm Jesus auf dem Wasser entgegenkommen wollte (Mt. 14,22ff).
Simon Petrus ist der bekannteste Jünger Jesu. Sein ursprünglicher Name war Simon. Später hat er den Beinamen Petrus bekommen, unter dem er heute bekannt ist.
Petrus heißt Fels oder Stein.
Den Namen erhielt er von Jesus: Du bist Simon; du sollst Petrus, der Fels heißen. (vgl Joh. 1,42)
Fels deshalb, weil Simon später eine führende Rolle in der christlichen Gemeinde einnahm.
In dieser Geschichte geht es allerdings darum, dass er beinahe wie ein Stein im Wasser versunken wäre.
Ich erzähle sie kurz:
Jesus war als Wanderprediger unterwegs.
Er und seine Jünger bereisten die Gegend im Norden Israels, in der der See Genezareth liegt.
Sie hatten einen langen, anstrengenden Tag hinter sich.
Denn es kamen täglich viele Leute zu ihnen, während sie durch die Lande zogen.
An diesem Abend sagte Jesus zu seinen Jüngern, sie mögen zum Strand des Sees Genezareth gehen, um mit einem ihrer Boote ans andere Ufer überzusetzen.
Er käme nach, sobald er die Leute nach Hause geschickt hatte.
Jesus wollte auch die Gelegenheit nutzen, um allein zu sein und zu beten.
Der ständige Betrieb kostete ihn Kraft.
Die Jünger machten sich auf den Weg. Es waren kernige Fischer vom See Genezareth, die mit Booten gut umgehen konnten.
Als sie sich aber mitten auf dem See befanden, erhob sich ein starker Wind.
Trotz ihrer Berufserfahrung gerieten sie in arge Bedrängnis.
Denn dieser Wind, ein regelrechter Sturm, forderte alle Kraft von ihnen.
Sie plagten sich die ganze Nacht.
Mitten in der Nacht sahen sie plötzlich eine Gestalt auf sich zukommen.
Und zwar auf den Wellen.
Dieser Anblick war für sie ebenso unglaublich wie für uns heute.
Sie dachten, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen und sie sähen schon Gespenster.
Aber es war Jesus.
Er sprach zu ihnen, um sie zu beruhigen: „Fürchtet euch nicht, ich bin es.“
Ich schätze, wenn mir jemand während eines nächtlichen Seesturms auf dem Wasser entgegenkommt und sagt, ich solle keine Angst haben, wird es mir eher schwer fallen, mich zu beruhigen.
Die Jünger im Boot schlotterten vor Angst. Und zwar nicht nur aus Angst vor dem Sturm, sondern auch aus Angst, den Verstand zu verlieren.
Bis auf einen, Simon Petrus. Er reagierte völlig anders als die anderen.
Er ergriff die Gelegenheit und verlangt von Jesus: „Jesus, wenn du es wirklich bist, dann sage mir, dass ich auf dem Wasser zu dir kommen soll.“
Jesus antwortete ihm: „Komm!“ und Simon verließ das Boot.
Simon Petrus ging tatsächlich einige Schritte auf Jesus zu, aber angesichts des heftigen Windes bekam er Angst und begann im Wasser zu versinken.
Er schrie nach Jesus: „Herr, rette mich!“ und Jesus zog ihn empor.
Er fragte Simon: „Du hast mir geglaubt, auf dem Wasser zu gehen, warum hast du nach ein paar Schritten gezweifelt?“
Als die beiden ins Boot zurückgekehrt waren, legte sich der Wind und alle Jünger riefen: „Jesus, du bist wirklich Gottes Sohn!“
Soweit die Geschichte.
Nachdem wir die Geschichte gelesen hatten, rief die Freundin aus dem Hauskreis: „Im Sturm aus dem Boot zu steigen und übers Wasser zu gehen, was für eine abgefahrene Idee! Typisch ADHS! Petrus hatte ADHS.“
Wir haben natürlich gelacht. Es ist eine witzige Idee, Simon, der vor 2000 Jahren lebte mit etwas so modernem wie ADHS in Verbindung zu bringen.
Aber die Bemerkung ist bei mir haften geblieben. Denn etwas in dran an ihr.
Versetzen Sie sich ins Boot der Jünger:
Sie erleben eine völlig unglaubliche, ja irrwitzige Situation. Kein normaler Mensch käme auf den Gedanken, solch eine Situation auszunutzen.
Aber Simon Petrus war offenbar nicht normal. Er zeigt hier die typischen Verhaltensweisen eines Menschen mit ADHS:
Er reagiert mutwillig, impulsiv, redet, bevor er nachdenkt und macht einfach, was ihm durch den Kopf schießt.
Typisch ADHS.
Doch die aberwitzige Situation setzt sich weiter fort.
Jesus fordert Simon Petrus tatsächlich auf, das Boot zu verlassen und zu ihm zu kommen.
Nach ein paar Schritten auf den Wellen muss Simon Petrus allerdings zur Besinnung gekommen sein.
Was er tat, war völlig unglaublich.
Und prompt versinkt er im Wasser.
Es ist so, als hätte der Glaube an Jesus ihn in die Lage versetzt, über das Wasser zu gehen.
Doch in dem Moment, da die Angst seinen Glauben wegspült, geht er unter.
Er schrie um Hilfe und Jesus muss ihn aus den Wellen ziehen.
Das ist auch typisch für Leute mit ADHS: Sie setzen sich einer unmöglichen Situation aus, rutschen ab und andere müssen dann dafür sorgen, dass sie wieder auf die Beine kommen.
Leute mit ADHS verwechseln regelmäßig Mut mit Mutwillen.
Es sind Leute, die mit Begeisterung aus einem Flugzeug springen, um plötzlich festzustellen, dass sie keinen Fallschirm dabei haben.
Simon Petrus wird im Verlauf seines Lebens noch manche solcher Dinger drehen.
Ein berühmtes Beispiel ist sein Verrat an Jesus:
Erst gelobte er vollmundig, immer zu Jesus zu stehen und ihn selbst in Todesgefahr nicht zu verlassen.
Dann aber scheiterte er kläglich, verrät seinen Herrn drei Mal nur Stunden später.
Ich habe Simon nie als einen unaufrichtigen Menschen gesehen; in dem Moment, da er etwas ausspricht oder unternimmt, ist er ganz dabei.
Aber es hielt eben nur einen Augenblick. Simon erschien mir zu wechselhaft und ungefestigt.
Wie eigenartig, dass Jesus ausgerechnet ihn zum Petrus, zum Felsen macht.
Ich glaube, es gibt einen Grund dafür, ich glaube, Simon war für Jesus ein besondere Stein, ein Rolling Stone.
Das hat folgenden Grund:
Wenn sich jemand von uns auf eine Arbeitsstelle bewirbt, achtet er darauf, dass sich im Lebenslauf ein Lebens- und Berufsabschnitt an den anderen anfügt.
Es muss ein roter Faden in der Biographie zu erkennen sein.
Brüche, z.B. plötzliche Berufswechsel oder abgebrochene Studiengänge oder angebrochene Ausbildungen machen sich nicht gut.
Brüche vermitteln den Eindruck, dass der Bewerber wechselhaft ist und Dinge nicht zu Ende bringt.
Ein beruflicher Lebenslauf muss Festigkeit, Verlässlichkeit und Verbindlichkeit vermitteln.
Dies signalisiert einem Arbeitgeber, dass der Bewerber konsequent, zielstrebig und vertrauenswürdig bei der Sache sein wird.
Ein Arbeitgeber muss sich auf seinen Angestellten verlassen können.
Solch ein Typ war Simon nicht gerade: Er war nicht der Typ, der abwog und überlegt handelte, sondern überholte sich gerne selbst rechts, war entweder tollkühn oder voller Furcht.
Wenn Jesus Simon genauso bewertet hätte wie ein Arbeitgeber einen Bewerber, hätte er ihn zweifellos nicht zum Felsen, zum Petrus berufen.
Aber Jesus bewertete ihn nicht in dieser Weise. Er hatte etwas anderes im Blick:
Simon war ein Mensch, der sich in Bewegung setzten ließ.
Alle anderen Jünger blieben im Boot, Simon stieg aus.
Simon war kein fester, unnachgiebiger Granitfelsen.
Er war ein Rolling Stone – ein rollender Stein, er ließ sich von etwas bewegen.
Jesus weiß die Rolling Stones unter den Menschen wertzuschätzen.
Rolling Stones sind Menschen, die neugierig und beweglich genug sind. Dass sich der Glaube in ihnen verwurzeln kann.
Und so ist die große Glaubenserfahrung dieser Sturmnacht nicht, dass Simon wider alle Natur übers Wasser lief.
Die große Glaubenserfahrung war diejenige, dass Simon, Hilfe von Jesus bekam, als ihn aller Mut verließ.
Nur Menschen, die sich in Bewegung setzen lassen, machen solche Erfahrungen. Sie erleben das Leben wirklich.
In dieser Hinsicht haben Menschen mit ADHS einen Vorteil.
Sie teilen die Rolling-Stone-Eigenschaften von Petrus:
Sie haben eine natürliche Neigung, sich auf das Leben wirklich einzulassen.
Es heißt, unter den Neugierigen dieser Welt, Leuten, die ähnlich gestrickt sind wie Simon, gibt es viele Menschen mit ADHS.
Und das ist gut. Es ist eine große Gabe.
Doch wie schätzen wir uns selbst ein? Wir tendieren dazu, unser Leben im Blick auf unsere Mängel und Defizite anzusehen.
So als befänden wir uns in einem ständigen Bewerbungsgespräch und rechneten damit, dass uns jemand aufgrund unserer Defizite ablehnt.
Darüber verlieren wir aus dem Blick, dass diese Mängel in Verbindung mit besonderen Gaben stehen.
Simon war sprunghaft, impulsiv, mutwillig.
Und er war neugierig und leidenschaftlich – ein Mensch, der sich in Bewegung setzen ließ.
Ich bin überzeugt, Jesus hatte diese Fähigkeiten erkannt und ihnen solch großen Wert beigemessen, dass Simon für ihn ein Fels wurde.
Die Geschichte dieser Nacht ist eine Glaubensgeschichte. Und es ist eine Geschichte der Wertschätzung.
Die Tiefe der Geschichte lässt sich zugegebenermaßen nur im Glauben ergreifen.
Doch möchte ich Sie eines wissen lassen, gleichgültig ob oder in wie weit für Sie der christliche Glaube eine Rolle in Ihrem Leben spielt: Sie können von der besonderen Beziehung zwischen Jesus und Simon lernen.
Achten Sie Ihre Fähigkeiten. Schätzen Sie sie Wert.
Jeder von uns hat Mängel und Defizite. Nur bei Menschen mit ADHS sind sie sehr offensichtlich.
Deshalb neigen wir dazu, diesen Mängeln viel Platz in unserem Leben einzuräumen.
Aber das ist nur ein Teil unseres Lebens.
Der andere Teil sind Gaben, Möglichkeiten und Chancen.
Als Jesus den sinkenden Petrus aus den Wellen emporzog, zog er auch die Möglichkeiten und Fähigkeiten, die er an Petrus erkannte, mit empor.
Es war für Simon Petrus zweifellos sehr schmerzlich, sich selbst derartig scheitern erleben zu müssen.
Aber Jesus ließ ihn dort nicht. Indem er ihm half, hinderte er die Wellen des Selbstzweifels über ihm zusammenzubrechen.
Weil er wusste, was er an Simon Petrus hatte und es wertschätzte.
Jesus hatte in Simon vor allen Dingen einen vielversprechenden Menschen vor Augen.
Einen Menschen mit offensichtlichen Mängeln und einen Menschen mit großen Möglichkeiten.
„Die Stärke eines Menschen zeigt sich in der Blöße, die er sich selber gibt.“ (Elazar Ben Yoetz).
Simon zeigt viel Blöße und gerade deshalb konnte Jesus etwas mit ihm anfangen.
Simon war ein Menschen, den er von ganzem Herzen achtete und wertschätzte und den er deswegen nicht dem Sturm aus Angst und Wellen überließ.
Ich wünsche uns sehr, dass wir diese Wertschätzung finden und sie weitergeben können.
Petrus hatte ADHS. Das ist eine stramme Behauptung.
Ich habe sie von einer Freundin aufgeschnappt, als wir uns im Hauskreis beieinander waren.
Ein Hauskreis ist ein regelmäßiges Treffen von Christen außerhalb eines Gottesdienstes.
Man kann dort über Dinge des Glaubenslebens besser und persönlicher sprechen als in der Kirche.
Wir lesen dort auch gemeinsam in der Bibel.
An einem Abend lasen wir die Geschichte, als Simon Petrus im Sturm Jesus auf dem Wasser entgegenkommen wollte (Mt. 14,22ff).
Simon Petrus ist der bekannteste Jünger Jesu. Sein ursprünglicher Name war Simon. Später hat er den Beinamen Petrus bekommen, unter dem er heute bekannt ist.
Petrus heißt Fels oder Stein.
Den Namen erhielt er von Jesus: Du bist Simon; du sollst Petrus, der Fels heißen. (vgl Joh. 1,42)
Fels deshalb, weil Simon später eine führende Rolle in der christlichen Gemeinde einnahm.
In dieser Geschichte geht es allerdings darum, dass er beinahe wie ein Stein im Wasser versunken wäre.
Ich erzähle sie kurz:
Jesus war als Wanderprediger unterwegs.
Er und seine Jünger bereisten die Gegend im Norden Israels, in der der See Genezareth liegt.
Sie hatten einen langen, anstrengenden Tag hinter sich.
Denn es kamen täglich viele Leute zu ihnen, während sie durch die Lande zogen.
An diesem Abend sagte Jesus zu seinen Jüngern, sie mögen zum Strand des Sees Genezareth gehen, um mit einem ihrer Boote ans andere Ufer überzusetzen.
Er käme nach, sobald er die Leute nach Hause geschickt hatte.
Jesus wollte auch die Gelegenheit nutzen, um allein zu sein und zu beten.
Der ständige Betrieb kostete ihn Kraft.
Die Jünger machten sich auf den Weg. Es waren kernige Fischer vom See Genezareth, die mit Booten gut umgehen konnten.
Als sie sich aber mitten auf dem See befanden, erhob sich ein starker Wind.
Trotz ihrer Berufserfahrung gerieten sie in arge Bedrängnis.
Denn dieser Wind, ein regelrechter Sturm, forderte alle Kraft von ihnen.
Sie plagten sich die ganze Nacht.
Mitten in der Nacht sahen sie plötzlich eine Gestalt auf sich zukommen.
Und zwar auf den Wellen.
Dieser Anblick war für sie ebenso unglaublich wie für uns heute.
Sie dachten, ihr letztes Stündlein hätte geschlagen und sie sähen schon Gespenster.
Aber es war Jesus.
Er sprach zu ihnen, um sie zu beruhigen: „Fürchtet euch nicht, ich bin es.“
Ich schätze, wenn mir jemand während eines nächtlichen Seesturms auf dem Wasser entgegenkommt und sagt, ich solle keine Angst haben, wird es mir eher schwer fallen, mich zu beruhigen.
Die Jünger im Boot schlotterten vor Angst. Und zwar nicht nur aus Angst vor dem Sturm, sondern auch aus Angst, den Verstand zu verlieren.
Bis auf einen, Simon Petrus. Er reagierte völlig anders als die anderen.
Er ergriff die Gelegenheit und verlangt von Jesus: „Jesus, wenn du es wirklich bist, dann sage mir, dass ich auf dem Wasser zu dir kommen soll.“
Jesus antwortete ihm: „Komm!“ und Simon verließ das Boot.
Simon Petrus ging tatsächlich einige Schritte auf Jesus zu, aber angesichts des heftigen Windes bekam er Angst und begann im Wasser zu versinken.
Er schrie nach Jesus: „Herr, rette mich!“ und Jesus zog ihn empor.
Er fragte Simon: „Du hast mir geglaubt, auf dem Wasser zu gehen, warum hast du nach ein paar Schritten gezweifelt?“
Als die beiden ins Boot zurückgekehrt waren, legte sich der Wind und alle Jünger riefen: „Jesus, du bist wirklich Gottes Sohn!“
Soweit die Geschichte.
Nachdem wir die Geschichte gelesen hatten, rief die Freundin aus dem Hauskreis: „Im Sturm aus dem Boot zu steigen und übers Wasser zu gehen, was für eine abgefahrene Idee! Typisch ADHS! Petrus hatte ADHS.“
Wir haben natürlich gelacht. Es ist eine witzige Idee, Simon, der vor 2000 Jahren lebte mit etwas so modernem wie ADHS in Verbindung zu bringen.
Aber die Bemerkung ist bei mir haften geblieben. Denn etwas in dran an ihr.
Versetzen Sie sich ins Boot der Jünger:
Sie erleben eine völlig unglaubliche, ja irrwitzige Situation. Kein normaler Mensch käme auf den Gedanken, solch eine Situation auszunutzen.
Aber Simon Petrus war offenbar nicht normal. Er zeigt hier die typischen Verhaltensweisen eines Menschen mit ADHS:
Er reagiert mutwillig, impulsiv, redet, bevor er nachdenkt und macht einfach, was ihm durch den Kopf schießt.
Typisch ADHS.
Doch die aberwitzige Situation setzt sich weiter fort.
Jesus fordert Simon Petrus tatsächlich auf, das Boot zu verlassen und zu ihm zu kommen.
Nach ein paar Schritten auf den Wellen muss Simon Petrus allerdings zur Besinnung gekommen sein.
Was er tat, war völlig unglaublich.
Und prompt versinkt er im Wasser.
Es ist so, als hätte der Glaube an Jesus ihn in die Lage versetzt, über das Wasser zu gehen.
Doch in dem Moment, da die Angst seinen Glauben wegspült, geht er unter.
Er schrie um Hilfe und Jesus muss ihn aus den Wellen ziehen.
Das ist auch typisch für Leute mit ADHS: Sie setzen sich einer unmöglichen Situation aus, rutschen ab und andere müssen dann dafür sorgen, dass sie wieder auf die Beine kommen.
Leute mit ADHS verwechseln regelmäßig Mut mit Mutwillen.
Es sind Leute, die mit Begeisterung aus einem Flugzeug springen, um plötzlich festzustellen, dass sie keinen Fallschirm dabei haben.
Simon Petrus wird im Verlauf seines Lebens noch manche solcher Dinger drehen.
Ein berühmtes Beispiel ist sein Verrat an Jesus:
Erst gelobte er vollmundig, immer zu Jesus zu stehen und ihn selbst in Todesgefahr nicht zu verlassen.
Dann aber scheiterte er kläglich, verrät seinen Herrn drei Mal nur Stunden später.
Ich habe Simon nie als einen unaufrichtigen Menschen gesehen; in dem Moment, da er etwas ausspricht oder unternimmt, ist er ganz dabei.
Aber es hielt eben nur einen Augenblick. Simon erschien mir zu wechselhaft und ungefestigt.
Wie eigenartig, dass Jesus ausgerechnet ihn zum Petrus, zum Felsen macht.
Ich glaube, es gibt einen Grund dafür, ich glaube, Simon war für Jesus ein besondere Stein, ein Rolling Stone.
Das hat folgenden Grund:
Wenn sich jemand von uns auf eine Arbeitsstelle bewirbt, achtet er darauf, dass sich im Lebenslauf ein Lebens- und Berufsabschnitt an den anderen anfügt.
Es muss ein roter Faden in der Biographie zu erkennen sein.
Brüche, z.B. plötzliche Berufswechsel oder abgebrochene Studiengänge oder angebrochene Ausbildungen machen sich nicht gut.
Brüche vermitteln den Eindruck, dass der Bewerber wechselhaft ist und Dinge nicht zu Ende bringt.
Ein beruflicher Lebenslauf muss Festigkeit, Verlässlichkeit und Verbindlichkeit vermitteln.
Dies signalisiert einem Arbeitgeber, dass der Bewerber konsequent, zielstrebig und vertrauenswürdig bei der Sache sein wird.
Ein Arbeitgeber muss sich auf seinen Angestellten verlassen können.
Solch ein Typ war Simon nicht gerade: Er war nicht der Typ, der abwog und überlegt handelte, sondern überholte sich gerne selbst rechts, war entweder tollkühn oder voller Furcht.
Wenn Jesus Simon genauso bewertet hätte wie ein Arbeitgeber einen Bewerber, hätte er ihn zweifellos nicht zum Felsen, zum Petrus berufen.
Aber Jesus bewertete ihn nicht in dieser Weise. Er hatte etwas anderes im Blick:
Simon war ein Mensch, der sich in Bewegung setzten ließ.
Alle anderen Jünger blieben im Boot, Simon stieg aus.
Simon war kein fester, unnachgiebiger Granitfelsen.
Er war ein Rolling Stone – ein rollender Stein, er ließ sich von etwas bewegen.
Jesus weiß die Rolling Stones unter den Menschen wertzuschätzen.
Rolling Stones sind Menschen, die neugierig und beweglich genug sind. Dass sich der Glaube in ihnen verwurzeln kann.
Und so ist die große Glaubenserfahrung dieser Sturmnacht nicht, dass Simon wider alle Natur übers Wasser lief.
Die große Glaubenserfahrung war diejenige, dass Simon, Hilfe von Jesus bekam, als ihn aller Mut verließ.
Nur Menschen, die sich in Bewegung setzen lassen, machen solche Erfahrungen. Sie erleben das Leben wirklich.
In dieser Hinsicht haben Menschen mit ADHS einen Vorteil.
Sie teilen die Rolling-Stone-Eigenschaften von Petrus:
Sie haben eine natürliche Neigung, sich auf das Leben wirklich einzulassen.
Es heißt, unter den Neugierigen dieser Welt, Leuten, die ähnlich gestrickt sind wie Simon, gibt es viele Menschen mit ADHS.
Und das ist gut. Es ist eine große Gabe.
Doch wie schätzen wir uns selbst ein? Wir tendieren dazu, unser Leben im Blick auf unsere Mängel und Defizite anzusehen.
So als befänden wir uns in einem ständigen Bewerbungsgespräch und rechneten damit, dass uns jemand aufgrund unserer Defizite ablehnt.
Darüber verlieren wir aus dem Blick, dass diese Mängel in Verbindung mit besonderen Gaben stehen.
Simon war sprunghaft, impulsiv, mutwillig.
Und er war neugierig und leidenschaftlich – ein Mensch, der sich in Bewegung setzen ließ.
Ich bin überzeugt, Jesus hatte diese Fähigkeiten erkannt und ihnen solch großen Wert beigemessen, dass Simon für ihn ein Fels wurde.
Die Geschichte dieser Nacht ist eine Glaubensgeschichte. Und es ist eine Geschichte der Wertschätzung.
Die Tiefe der Geschichte lässt sich zugegebenermaßen nur im Glauben ergreifen.
Doch möchte ich Sie eines wissen lassen, gleichgültig ob oder in wie weit für Sie der christliche Glaube eine Rolle in Ihrem Leben spielt: Sie können von der besonderen Beziehung zwischen Jesus und Simon lernen.
Achten Sie Ihre Fähigkeiten. Schätzen Sie sie Wert.
Jeder von uns hat Mängel und Defizite. Nur bei Menschen mit ADHS sind sie sehr offensichtlich.
Deshalb neigen wir dazu, diesen Mängeln viel Platz in unserem Leben einzuräumen.
Aber das ist nur ein Teil unseres Lebens.
Der andere Teil sind Gaben, Möglichkeiten und Chancen.
Als Jesus den sinkenden Petrus aus den Wellen emporzog, zog er auch die Möglichkeiten und Fähigkeiten, die er an Petrus erkannte, mit empor.
Es war für Simon Petrus zweifellos sehr schmerzlich, sich selbst derartig scheitern erleben zu müssen.
Aber Jesus ließ ihn dort nicht. Indem er ihm half, hinderte er die Wellen des Selbstzweifels über ihm zusammenzubrechen.
Weil er wusste, was er an Simon Petrus hatte und es wertschätzte.
Jesus hatte in Simon vor allen Dingen einen vielversprechenden Menschen vor Augen.
Einen Menschen mit offensichtlichen Mängeln und einen Menschen mit großen Möglichkeiten.
„Die Stärke eines Menschen zeigt sich in der Blöße, die er sich selber gibt.“ (Elazar Ben Yoetz).
Simon zeigt viel Blöße und gerade deshalb konnte Jesus etwas mit ihm anfangen.
Simon war ein Menschen, den er von ganzem Herzen achtete und wertschätzte und den er deswegen nicht dem Sturm aus Angst und Wellen überließ.
Ich wünsche uns sehr, dass wir diese Wertschätzung finden und sie weitergeben können.
Uwe Metz - 4. Sep, 22:39